Die Macht der Emotionen

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Lesedauer 5 Minuten

Von Swami Rama

Unter unserem Denkprozess liegt etwas noch Tieferes als die eigentlichen Gedanken – die Macht der Emotionen. In unserem täglichen Leben – im Umgang mit Freunden und Familien, sowohl zu Hause als auch am Arbeitsplatz – erkennen wir manchmal, oder werden darauf hingewiesen, dass wir zu emotional sind, oder gar emotional unausgeglichen. Geschieht dies, dann liegt es daran, dass wir unser Gefühlsleben nicht richtig verstanden oder organisiert haben.

Emotionen können positiv oder negativ wirken

Emotionen können sowohl positiv als auch negativ sein. Nehmen wir als Beispiel an, wir kommen an einem Busch vorbei, in dem ein kleiner Welpe gefangen ist und hilflos weint. Der Welpe gehört uns nicht, aber wenn wir zu diesem Zeitpunkt in Verbindung mit unseren positiven Emotionen stehen, können wir nicht anders und versuchen, ihm zu helfen. Solche Gefühlserregungen können uns zu Kreativität und positivem Handeln führen. Doch es existieren auch negative Emotionen, die uns zur Katastrophe führen und unser Leben zerstören können.

Wenn man beispielsweise verärgert, desorganisiert oder emotional außer Kontrolle ist, sagt man Dinge, die man nicht wirklich meint. Später tut es einem leid, aber was hat einen veranlasst, diese Negativität überhaupt zum Ausdruck zu bringen? Man wollte nie wirklich jemanden verletzen, also entschuldigt man sich bei denen, die man liebt. »Es tut mir leid«, sagt man, »Ich wollte dir nicht wehtun.« »Ich liebe dich und es tut mir leid, dass ich das gesagt habe.« Aber am nächsten Tag wiederholt man das gleiche Verhalten, weil man die eigenen Gefühle nicht versteht. Man muss verstehen, was einen dazu gebracht hat, wild zu werden und einen solchen emotionalen Ausbruch zu haben.

Oftmals schwächt man sich im täglichen Leben. Man geht lächelnd zur Arbeit, und dann passiert plötzlich etwas auf dem Weg und man wird traurig. So ist das Leben. Wir erleben ständig die Veränderungen und die Höhen und Tiefen des Lebens. Um mit diesen Veränderungen umzugehen, müssen wir die Entschlossenheit entwickeln, durch solche Ereignisse nicht emotional aufgewühlt zu werden und nichts zu tun, was andere verletzt oder schädigt.

Der Weg des Herzens

Es gab viele große Weisen wie Chaitanya Mahaprabhu, Ramakrishna Paramahansa, der heilige Bernhard und die heilige Mutter Teresa, die gelernt haben, ihre emotionale Kraft auf kreative Weise zu nutzen. Sie nutzten ihre emotionale Kraft, nicht die Kraft des Geistes. Man nennt dies »den Weg des Herzens«. Dem Pfad des Geistes zu folgen ist extrem tückisch; es ist wie die scharfe Kante einer Rasierklinge. Begeht man mit seinem Verstand einen Fehler, wird man zerstört, aber wenn man lernt, seine Emotionen positiv zu nutzen, kann man die höchsten Freuden und Glückseligkeiten erreichen.

Jemand, der weiß, wie man das macht, kann in kurzer Zeit auf dieselbe Stufe der Ekstase gelangen wie die der Yogis, die viele Jahre lang intensiv praktizieren, um Samadhi zu erreichen. Beide Prozesse sind die gleichen, vorausgesetzt, dass man weiß, wie man seine Emotionen kanalisiert und dass man gelernt hat, über den Sumpf der Wahnvorstellungen hinauszugehen, der durch den eigenen Verstand und seinen Denkprozess erzeugt wird. Dies ist möglich, wenn man die Herkunft seiner Emotionen begreift.

Emotionen verstehen

Zuerst müssen wir die negativen Emotionen verstehen, wissen, was sie sind und woher sie kommen. Die spirituellen Schriften der alten Weisen analysierten diese negativen Emotionen und kategorisierten sie. Die erste, so sagen sie, ist Kama, die Mutter aller übrigen Wünsche. Kama ist das primäre Verlangen. Daraus ergeben sich alle anderen. Kama weckt den Wunsch, die Sinne zu befriedigen oder zu stillen. Es weckt jedoch auch den Wunsch, anderen selbstlos zu helfen. Kama motiviert uns zu allem und jedem. Doch es ist blindes Verlangen, es hat keinen Sinn für Unterscheidung, kein Urteilsvermögen, kein Verständnis. Es motiviert uns lediglich, etwas zu tun. Nur, um diesen Wunsch zu erfüllen – bloß weil er existiert.

Wenn Kama nicht erfüllt ist, wird man wütend und frustriert – das ist Krodha, die Emotion des Zorns. Wenn wir wütend sind, dann sind wir völlig blind. Wenn man sich mit einem Hund vergleicht, wird man feststellen, dass selbst ein Hund dann nie die Beherrschung verliert, wie man es selbst tut. Wenn man frustriert ist, wenn die eigenen Wünsche nicht erfüllt werden, kann man sogar seine Kinder oder seine Frau verletzen – die man so sehr liebt.

Ursachen von Wut

Unerfülltes Verlangen führt zu Wut. Wenn wir in Rage geraten, ist es, weil etwas unsere Wünsche nicht erfüllt, und auf diese Weise werden wir tausend Mal am Tag wütend. Ein Verlangen erzeugt Erwartung, und diese Erwartung ist stark, also gibt es ständigen Ärger. Und wenn wir unsere Wut ausdrücken, zerstört es unser Nervensystem. Wir beginnen zu zittern, wenn wir wütend sind; wir büßen unser Gleichgewicht ein; wir verwirken unsere innere Ruhe. Eine vollständige und genaue Definition von Wut ist: Die Emotion, die aus unerfüllten Wünschen resultiert, die wir nicht zu ordnen, zu befrieden, oder zu verstehen gelernt haben. Wut bedeutet also, dass wir einen Wunsch haben, der verstanden und gelöst werden muss.

Stolz als Falle

Wenn aber unser Wunsch erfüllt ist und Kama sich ausgedrückt hat, dann entsteht Stolz oder Muda. Dein Verstand sagt: »Ich habe meinen Wunsch erfüllt!« Das ist berauschend, und wenn man unter dem Einfluss dieser Trunkenheit steht, denkt man nicht klar und verhält sich negativ. Wenn also der Wunsch befriedigt ist, werden wir stolz, aber wenn er nicht erfüllt wird, dann werden wir wütend.

Aus diesem Grund müssen wir darauf achten, uns selbst klar zu betrachten. Wenn ein Wunsch erfüllt ist, sollten wir beobachten, ob er unseren Stolz aufbläht. Und wenn er nicht erfüllt ist, müssen wir inspizieren, ob er unseren Zorn anfeuert. Auf diese beiden Reaktionen muss man sehr genau achten.

 

Buchauszug aus „Die Kunst des freudvollen Lebens“ (Neuübersetzung, Agni Verlag 2018).
Übersetzt von Michael Nickel


Swami Rama
Swami Rama

Swami Rama (1925-1996) ist einer der großen Weisen, Lehrer, Autoren und Humanisten des 20. Jahrhunderts, sowie der Gründer des Himalayan Institutes (USA) und des Himalayan Institute Hospital Trusts (Indien). Geboren in Nordindien, wurde er von frühester Kindheit an von Bengali Baba, einem Meister aus dem Himalaya, aufgezogen. Unter der Leitung seines Meisters reiste er von Kloster zu Kloster und studierte bei einer Vielzahl von Heiligen und Weisen im Himalaya, einschließlich seines Großmeisters, der in einer abgelegenen Region Tibets lebte. Zusätzlich zu diesem intensiven spirituellen Training erhielt Swami Rama eine höhere Ausbildung in Indien und Europa. Von 1949 bis 1952 hatte er die angesehene Position des Shankaracharya von Karvirpitham in Südindien inne. Danach kehrte er zu seinem Meister zurück, um sich in seinem Höhlenkloster weiterzubilden, und schließlich kam er 1969 in die Vereinigten Staaten, wo er das Himalayan Institute gründete. Sein bekanntestes Werk, Mein Leben mit den Meistern des Himalayas, enthüllt die vielen Facetten dieses einzigartigen Adepten und zeigt seine Verkörperung der lebendigen Tradition des Ostens.

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